Verkaufstexte schreiben: Das Bedürfnis ist immer schon da

„Verkaufstexte sind vorausgedachte Verkaufsgespräche mit starker Führung“, erklärt das Buch „Texten!“ von Stefan Gottschling. Da die potentiellen Käufer an diesen verschriftlichten Verkaufsgesprächen nur passiv beteiligt sind, müssen Verkäufer umso mehr vorausdenken und führen. Der Kunde ist jedoch auch in Abwesenheit König, denn um erfolgreich zu sein, muss sich ein Verkaufsgespräch konsequent an seinem Interesse orientieren.

Aber was genau ist sein Interesse und wie stellen Sie es beim Schreiben in den Mittelpunkt?

Gelegentlich wird die AIDA-Formel als Richtschnur für Verkaufstexte empfohlen. Dabei soll der Leser über die Stufen Attention, Interest und Desire zur Action geführt werden, also zum Kauf.

AIDA
So wird’s gelehrt – aber wie erzeugt man ein Verlangen?

Ich halte das nur bedingt für hilfreich. In der Nennung von „Desire“ erst an dritter Stelle kommt ein fundamentales Missverständnis zum Ausdruck. Bevor ich anhand der Einteilung in Einstieg, Argumentation und Abschluss erkläre, wie ein guter Verkaufstext funktioniert, muss ich dieses Missverständnis ausräumen, denn wer ihm aufsitzt, versucht das Unmögliche.

Warum Werbung keine Bedürfnisse erzeugen kann

In einem Punkt bilden Kapitalismuskritiker, die Werbung grundsätzlich ablehnen, eine seltene Allianz mit überenthusiastischen Werbefachleuten. Beide pflegen nämlich den Mythos, dass Werbung Bedürfnisse erzeugen könne.

The Creation of Adam (Gemälde)
Vielleicht so?

Das kann aber höchstens der liebe Gott.

Die Zahl der potentiellen Objekte von Bedürfnissen mag unendlich sein, aber die Bedürfnisse selbst sind es nicht. Sie wurzeln in der menschlichen Natur. Diese verändert sich nicht über Nacht aufgrund einer pfiffigen Werbebotschaft.

Man schaue sich an, womit sich Menschen aller Epochen die Zeit vertreiben, oder werfe einen Blick auf Befragungen, die davon handeln, was uns wirklich wichtig ist. Das Spektrum der Antworten ist überschaubar. Sicherheit, Liebe, Freundschaft, Selbstverwirklichung – mit diesen wenigen Stichworten ist schon das meiste abgedeckt.

Was vielfältig und zahlreich ist, sind die Formen, in denen wir eine überschaubare Zahl von Grundbedürfnissen zu befriedigen suchen. Das liegt zum einen an der Verschiedenheit individueller Vorlieben und zum anderen daran, dass Bedürfnisbefriedigung je nach Lebensumständen auch objektiv an andere Voraussetzungen geknüpft ist. Diese subjektive und objektive Vielfalt der Bedürfnisbefriedigungen bildet den Markt für eine ebenso große Vielfalt von Produkten und Dienstleistungen.

Gleichzeitig stellt das Leben zahlreiche Anforderungen an uns, die wir uns nicht ausgesucht haben. Wir müssen unsere Wohnung in Ordnung halten, öffentliche oder private Verkehrsmittel benutzen und eine Steuererklärung einreichen. Wir müssen Vieles, was wir nicht direkt wollen. Die Funktion oder zumindest das Versprechen vieler moderner Produkte und Dienstleistungen besteht darin, die Belastung durch diese ungeliebten Anforderungen zu reduzieren.

Habe ich ein Bedürfnis nach einer teuren Waschmaschine? Nein. Aber gute soziale Beziehungen pflegen sich leichter mit sauberer Kleidung.

Habe ich ein Bedürfnis nach einer teuren Waschmaschine? Nein. Eine Waschmaschine ist ein ziemlicher Klotz am Bein, vor allem bei Umzügen. Sie nimmt viel Platz in der Wohnung weg und sieht nicht besonders hübsch aus.

Aber ich habe ein Bedürfnis nach guten sozialen Beziehungen, und die pflegen sich leichter mit sauberer Kleidung. Außerdem habe ich ein Bedürfnis, meine Zeit mit Tätigkeiten zu füllen, die für mich befriedigend sind oder mich meinen Zielen näherbringen, und nicht mit meiner schmutzigen Wäsche.

Wenn eine Waschmaschine mir also glaubhaft einen maximalen Output an sauberer Wäsche bei minimalem Input von Zeit und Aufmerksamkeit verspricht – dann wird sie zu einem Werkzeug, das meine Bedürfnisbefriedigung unterstützt. Erst das macht sie interessant.

Genau so müssen wir sie deshalb auch verkaufen. Wie viele Ingenieure daran gearbeitet haben oder Waschprogramme zur Verfügung stehen, interessiert erst einmal niemanden. Es wird dann interessant, wenn wir davon überzeugt sind, dass es zur schnellen und unkomplizierten Verwandlung schmutziger Wäsche in saubere beiträgt.

Jeans auf der Leine
Schöner als Waschmaschinen: saubere Wäsche (Bild: Bruno Nascimento)

Der Ausgangspunkt für jeden guten Verkaufstext ist also die Frage: Was leistet das Produkt oder die Dienstleistung für den Kunden? „Sie bekommen die beste Waschmaschine“ zählt nicht. „Nie wieder Flecken und Verfärbungen“ oder „immer gut aussehen“ – schon besser.

Wenn die Leistung eines Produkts oder Services klar ist, schreiben sich Verkaufstexte fast von selbst. Der Texter muss diese Leistung dann nur ausbuchstabieren und dem Leser plastisch vor Augen führen. Je klarer der Nutzen, desto leichter das Verkaufen. Der Nutzen muss nicht weltbewegend sein, aber er muss klar sein.

In der Praxis leidet die Kommunikation oft unter einer unvermeidlichen Betriebsblindheit: Der vorgesehene Nutzen ist für den Hersteller selbstverständlich. Wer sich lange mit der Lösung eines Problems beschäftigt hat, neigt dazu, das Wie seiner Lösung (25 Waschprogramme) interessanter zu finden als das aus seiner Sicht abstrakte Ergebnis (immer gut aussehen). Hier zu übersetzen ist Kernaufgabe eines Texters.

Später können die 25 Waschprogramme allerdings auch für ihn interessant werden, nämlich im Rahmen der Argumentation. Doch zuerst:

Der Einstieg – erste Zeilen brauchen Liebe

Zum Einstieg zähle ich alles, womit Leser als erstes in Berührung kommen: Überschriften, Teaser und die ersten Zeilen. Hier gilt es pointiert den Beitrag des Produkts zur Bedürfnisbefriedigung zu vermitteln, oder kurz: den Nutzen. Führen Sie dem Leser plastisch, attraktiv und kompakt vor Augen, in welcher Weise sich sein Leben durch den Kauf verbessern würde.

Wenn Sie irgendwo eingehender am Text feilen und mehr Zeit investieren als für den Rest, dann hier.

In Gesprächen mit Kollegen und Kunden bezeichne ich das attraktive Etwas, mit dem Marketingbotschaften winken müssen, gelegentlich als die „Karotte“. Interessanterweise versteht gewöhnlich jeder sofort und ohne Erklärung, was ich meine. Wir alle können zahlreiche Karotten benennen, für die wir uns sofort in Bewegung setzen würden.

Ohne Karotte investiert niemand die Zeit und Mühe, überhaupt den Text zu Ende zu lesen.

Führen Sie sich die Karotte Ihres Textes klar und greifbar vor Augen, bevor Sie zu schreiben beginnen, denn nur dann können Sie sie ebenso klar und greifbar dem Leser präsentieren. Ohne Karotte investiert niemand die Zeit und Mühe, überhaupt den Text zu Ende zu lesen.

Die Karotte eines Verkaufstextes entspricht dem, was in literarischen Texten der zentrale Konflikt ist. Hier ist ein Bedürfnis, dort ist eine Befriedigung. Die Distanz zwischen beiden erzeugt Spannung und Dynamik. Der weitere Text hat die Aufgabe, diese Distanz zu überbrücken. Der Kauf ist auf diesem Weg der letzte Schritt.

Die Argumentation: erklären, verstärken und Glaubwürdigkeit herstellen

In der Argumentation, also dem Mittelteil, ist nun Platz für die langjährige Arbeit der Ingenieure und die 25 Waschprogramme. Die Karotte zum Einstieg bringt das Was auf den Punkt – den konkreten Nutzen, der versprochen wird. Doch ein Versprechen hat kein Gewicht, wenn wir kein Vertrauen haben, dass es auch eingelöst wird.

Wir alle sehen die Karotte, wenn es bei der nächsten Lottoziehung um 10 Millionen Euro geht. Trotzdem kaufen sich viele kein Los. Warum nicht? Weil sie nicht glauben, dass diese Karotte für sie wirklich greifbar ist.

Das Problem haben Sie beim Verkaufen einer Waschmaschine im Prinzip auch. Wir erinnern uns: Nicht die Waschmaschine ist die Karotte, sondern die bequeme Verwandlung von schmutziger Wäsche in saubere. Das Versprechen lässt aufhorchen. Aber löst die angebotene Maschine es auch ein?

Um diese Zweifel zu zerstreuen, widmet sich der Verkaufstext also nun dem Wie der versprochenen Problemlösung. Umso mehr, wenn das versprochene Ergebnis zu schön klingt, um wahr zu sein, muss die Glaubwürdigkeitslücke durch eine plastische Vorstellung davon überbrückt werden, wie die beteiligten Rädchen ineinandergreifen, um jenen schönen Output zu erzeugen.

Stellen Sie sich vor, Sie wollen Tagesreisen in einen Vergnügungspark verkaufen und versprechen einen Tag Spaß, Lebensfreude und Zerstreuung fern des Alltags. Was gibt es da nun zu erklären?

Vergnügungspark
Nicht schwindeln: Vergnügungspark (Bild: Jason Chen)

Einiges. Zunächst mal das Organisatorische. Ist eine Abfahrtsstelle in meiner Nähe? Wie lange dauert die Fahrt? Sind alle Kosten mit drin? Bekommen wir dort etwas zu essen? Gibt es genug Vergnügungen für die Kinder? Ist alles sicher? Was passiert bei schlechtem Wetter?

Stellen Sie die Vorzüge des Parks und der Tagestour dar, um diese Zweifel zu zerstreuen. Jede gute Antwort hat das Potential, ein „weiß nicht“ im Kopf des Lesers in ein „ja“ zu verwandeln. Wenn alle Fragen überzeugend beantwortet sind, steht Ihr Tagesticket glaubhaft für die versprochene Bedürfnisbefriedigung.

Formulieren Sie Fragen und Zweifel aber nicht als solche. Der Motor Ihres Verkaufstextes läuft im Rückwärtsgang, wenn Sie Zweifel säen, die beim Einstieg noch gar nicht da waren. Beispiel:

Doch was ist, wenn es den Kindern nicht gefällt? Keine Sorge: Alle Einrichtungen sind kinderfreundlich.

So setzen Sie dem Leser Bilder von sich mit seinen quengelnden Kindern im Vergnügungspark in den Kopf und bemühen sich anschließend, diese Bilder wieder zu vertreiben. Das muss nicht sein. Lassen Sie den ersten Teil einfach weg.

Seit unserer Gründung im Jahr 1995 verstehen wir uns als Ausflugsziel für die ganze Familie. Die Kinderfreundlichkeit aller Einrichtungen liegt uns besonders am Herzen.

Okay, das ist ein wenig geschummelt, weil meine Alternative länger ist. Dafür zeigt sie aber gleichzeitig, wie Sie Informationen aus der Kategorie „Wir über uns“ am besten einsetzen: Zur Herstellung von Glaubwürdigkeit für das Versprechen.

  • „Gründung im Jahr 1995“: Aha, den gibt es schon 20 Jahre, dann kann er nicht ganz schlecht sein.
  • „verstehen wir uns“, „liegt uns am Herzen“: Aha, da stecken engagierte Menschen dahinter.

Die Worte „Ausflugsziel“, „ganze Familie“ und „Kinderfreundlichkeit“ machen die Unternehmensdarstellung für den Leser interessant, weil sie das berühren, was er sucht. Losgelöst davon wären Informationen über Gründung und Selbstverständnis des Parks eine öde Geschichtsstunde oder eitle Selbstbespiegelung, die nichts mit dem Adressaten zu tun hat und ihn daher nicht interessiert.

Karotten im Gemüsebeet
Diese Karotten könnte man noch schöner herausarbeiten. (Bild von Stephanie Dillingham, Creative Commons BY)

Abschließend einige Richtlinien für diesen Abschnitt in Stichworten:

  • Klare Aussagen treffen: „Das Produkt bietet A, B und C“.
  • Die Adressaten ansprechen: „Genießen Sie A, B und C“.
  • Hilfsverben vermeiden: „Verbringen Sie einen wundervollen Tag mit Ihrer Familie“ anstatt „Sie können einen wundervollen Tag mit Ihrer Familie verbringen“; „Bedenken Sie“ statt „Sie sollten bedenken“.
  • Wörter wie „jedoch“, „gewissermaßen“, „einerseits-andererseits“ oder „allerdings“ vermeiden, die offene Abwägungen, Nachdenklichkeit oder Ambivalenz ausdrücken. Selbst Begründungswörter wie „deswegen“ sind oft kontraproduktiv. Ich hätte oben auch schreiben können: „Deswegen liegt uns die Kinderfreundlichkeit … besonders am Herzen.“ Aber damit wäre der Satz vom vorangehenden abhängig. Man müsste zurücklesen, um sich den Grund fürs Am-Herzen-Liegen der Kinderfreundlichkeit zu vergegenwärtigen. Das wäre nur verwirrend und würde die Prägnanz der Aussage schwächen: Kinderfreundlichkeit liegt uns am Herzen. Luther schrieb: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ (Zack!), und nicht: „Ich kann nicht anders. Deswegen stehe ich hier“ (Aha ..?).
  • Die Features und Vorteile konkret benennen, mit denen Sie verkaufen wollen. „Bei uns bekommen Sie günstig Häkelwolle in vielen schönen Farben.“ Was ist „viel“, was ist „schön“? Vage positive Wörter wie „schön“ wirken in Werbetexten hohl und schal. „Knackiges Wiesengrün, elegantes Anthrazit, warmes Bordeauxrot und Dutzende weitere Farben verleihen Ihrer Kleidung eine ganz individuelle Note.“ Besser.
Verkaufstexte sind kein Ort für Ambivalenz. Stellen Sie konkret, bildhaft und immer mit Bezug zum Kundenbedürfnis dar, was Sie zu bieten haben.

Verkaufstexte sind kein guter Ort für Nachdenklichkeit und Ambivalenz. Butter bei die Fische! Stellen Sie detailliert, konkret, bildhaft und immer mit Bezug zum Kundenbedürfnis dar, was Sie zu bieten haben.

Wenn es über ein Produkt partout nicht viel zu erzählen gibt, steht Ihnen vielleicht immer noch ein unschlagbares Argument zur Verfügung: Der Erfolg. Gibt es die Firma schon lange? Hat sie schon viele Exemplare des Produkts abgesetzt? Können Sie auf eine erhebliche Zahl zufriedener Kunden verweisen?

Denken Sie daran, welchen Eindruck fünf volle Amazon-Sterne auf Sie machen, bevor Sie auch nur das Geringste über ein Buch wissen. Popularität zieht. Wenn es Belege für die Popularität Ihres Produkts gibt, halten Sie damit nicht hinterm Berg.

Der Abschluss: Den Weg vorzeichnen und Hürden beseitigen

Am Schluss steht bekanntlich der sogenannte Call to Action, die Handlungsaufforderung. Beispiele:

  • Jetzt bestellen!
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Der Call to Action richtet sich an diejenigen, die inzwischen ein starkes Kaufinteresse haben. Mit ihm wird das letzte kleine Wegstück von der ersten Aufmerksamkeitszuwendung bis zum Kauf mit dem roten Teppich des vorausgedachten Verkaufsgesprächs überbrückt. Resümieren Sie im Übergang zum Call to Action noch einmal in einem Satz, welche attraktiven Vorteile winken, oder bestätigen Sie aufs Neue, dass alle Bedenken abgebaut sind – ohne sie ausdrücklich zu erwähnen (siehe oben).

Banane mit Aufschrift "Buy Now"
So ungefähr. (Bild von edkohler, Creative Commons BY)

Darüber hinaus ist es nützlich, wenn Sie zum Abschluss die Hürde absenken können, die immer zwischen passiver Informationsaufnahme und aktivem Handeln steht. Dies können Sie beispielsweise durch Geschenke, Sonderangebote, Garantien oder ein bedingungsloses Rückgaberecht. Also:

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Geschenke sind noch kein Kauf, aber sie sind eine reale Transaktion. Danach ist die psychologische Schwelle zum Kauf erheblich niedriger.